Jana Wüsten

Jana Wüsten ist eine junge Poetin (ihre ersten Gedichte schrieb sie bereits mit 13 Jahren), deren Gedichte den Dichterpflänzchen ausnehmend gut gefallen, sie verbinden sprachliches und poetisches Talent mit ernsthafter Beschäftigung und tiefem Verständnis der Schönheit klassischer Formen. Die Stimmung ist oft ernst, manchmal sogar melancholisch, was jedoch zu den vermittelten Inhalten passt, es klingen meist die großen Menschheitsfragen der individuellen Existenz und des Lebenssinns sowie von Liebe und Tod an. Jana Wüsten vermittelt diese Inhalte authentisch und in einem interessanten Sprachstil, der ihre Lust an der spielerischen Beherrschung von Sprache und Ideen erkennen lässt. Sie zeigt genau die Freude an Poesie, welche auch die Dichterpflänzchen antreibt und diese mit ihr in poetischer Berührung verbindet.


Hellentflammt


Du webst in hellentflammtem Licht
die Funken in die Nacht hinein.
Du wartest und du wartest nicht,
du schreibst in leichtem Kerzenschein
die Worte, die du fängst, oft nieder,
die Hand schon bleich und faltenvoll,
du weißt nicht, was das Leben soll,
doch hörst das Wort und weißt es wieder.
Und siehst du, wie der Schatten bricht,
in hellentflammtem Kerzenlicht?
Und hörst du, wie die Funken toben?
Du schreibst und blickst bedacht nach oben
Du wünscht dir, Himmelslicht zu sehen,
erkennst nur Deckenholz.
Du straffst die Schultern, stolz,
und hörst den Wind durchs Fenster wehen.


Liebe

Schemenhaftes Schattengreifen
langt nach dunklem tiefen Sein.
Zeigt den Sinn im Sichbegreifen,
doch erscheint so seltsam klein.

Sehen Augen Dich im Nachten,
scheint das Sinnen längst verirrt,
träumend nicht und auch nicht wachend
macht Dein Anblick mich verwirrt.

Takt um Takt erstarren Zeiten
und wir währen endlos fort.
Wenn sich alle Sinne weiten,
pocht in mir nur noch ein Wort.


Endstation

Der Platz zu meiner Rechten währt wohl frei -
Personen meiden mich mit ihren Blicken.
Die Kopfhörer, mein rhythmischdunkles Nicken,
und meine Adern füllen sich mit Blei:

Mich füllt mein Zittern und ein jedes Stehen
des Zuges lässt mehr Mensch um mich sein.
Ich mustere und sie mustern mich klein -
Ich will durch Gänge wie durch Wälder gehen

Und einsam nur für mich zufrieden weilen,
Doch jedes Hoffen wird alsbald zerstört.
So bleibt mir nur die Einsamkeit in Zeilen,

die niemand anders jemals in mir hört.
Das Blatt füllt sich mit Tinte, Wunden heilen,
der Zug bleibt endlich stehen, alles stirbt.



Ruhe

Die Ruhe wirbt mit ihren leisen Tönen,
empfängt mit Freiheit unsresgleichen nur.
Zeigt uns buntzarte Farben, leistet Schwur
Gedanken aufzunehmen, zu versöhnen,

was uns auf sachter, klangbeherrschter Spur
nach Können, diese Hektik zu verhöhnen,
an die wir uns im Alltag oft gewöhnen,
begegnet: Ziele, Arbeit und die Uhr.

Doch höre ihre sanften Klänge kreisen,
wenn jene die Ideen nie vertagt.
Begib dich dort, in ihrer Welt, auf Reisen

und horch, was sie mit leiser Stimme sagt.
"Gedanken, die wie Musen Ruhe weisen,
halt fest, dass keinem Stille je behagt."



Rennen

Fast jeden Tag erkennst du deine Grenzen,
fast jeden Tag sagst du ihnen Ade.
Von Angst getrieben tut es noch mal weh.
Und während Mut und Ehrgeiz in dir glänzen
rennst du mal wieder in die schwarzen Träume,
die bunt in deinen Fantasien leuchten.
Als ob Gedanken Freiheitslieder bräuchten,
zersprengst du mit dem Schreien Lebensräume.
Und jede Nacht läufst du mit bittrem Weinen
und jede Nacht bemerkst du den Verlust.
Du schreist und fällst, den grauen, harten Steinen
zeigst du in der Verzweiflung deinen Frust.
Du denkst daran, wie du demnächst in seinen
so starken Armen liegst. Du hast gewusst:
Das Tor wird uns wie ewig Tote trennen,
mir bleibt das Fliehen, bleibt nur


(»lyrix«-Gewinner im September 2014 Thema Begriff „Grenzerfahrungen“. »lyrix« ist der Bundeswettbewerb für junge Dichterinnen und Dichter von Deutschlandfunk, Deutschem Philologenverband und Deutschem Museumsbund.)


Stille

Der Hocker weilt leer, die Tasten verharren
in weißschwarzem hölzernen kühlenden Starren:
Die Töne erklingen schon lange nicht mehr,
der Staub legt sich nieder, der Hocker weilt leer.

Die Tasten verharren, nur Stille empfängt
mein währendes Dasein, das immerfort drängt
zu suchen, zu finden - ein Pochen und Scharren
erlaubt keine Lieder. Die Tasten verharren

und Stille umfängt diese zeitlose Zeit.
Ich wappne mich stetig, bin niemals bereit,
kein Singen verweilt mir als süßes Geschenk:
Ich warte auf Stille, die bald mich empfängt.


Herbst


Und ich erblicke seit einiger Zeit noch den Wandel des Lebens:
kaltes Erröten in Braun. Hörst du den Boten, den Tod?
Klagen des Windes, ein eilendes, heulendes Drängen nach Wärme,
aber sie bleibt zu weit fort. Fadtristes Braun wird Blutrot.
Wie sich die Blätter vom Stamme durch zwirbelndes Drängen entfernen,
nimmt mir die Freude der Herbst; sie wird zur Melancholie.
Will ich, ach! Kann ich das Leben im gräulichen Stürmen genießen?
Schwerer noch stürmt nur mein Herz. Schweigen vermocht' es noch nie.


Sehnsucht

Die Sehnsucht drängt zu längst vergangnen Tagen,
versagt mit ihren Fühlern jedes Fragen.
Lockt uns mit edlem Singen hin zu ihr,
umfängt dich und sie zieht dich fort von mir.
Das Grauen nährt das traurige Versagen.

Das Grauen nährt das traurige Versagen
versagt mit seinen Fühlern jedes Fragen.
Lockt uns mit seinem Singsang hin zu ihm,
umfängt dich und verweigert jedes Fliehn.
Das Schweigen klärt das scheue Unbehagen.

Das Schweigen klärt das scheue Unbehagen,
versagt den Mut zur Wahrheit, jedes Fragen.
Es lockt mit seiner Stille zu ihm hin,
umfängt dich neblig, nebelt dir den Sinn.
Die Sehnsucht drängt! Zu längst vergangnen Tagen.


Zueignung

"Ihr naht euch wieder! Schwankende Gestalten",
die ich zeitlebens tief in mir verbannte:
"Versuch ich wohl, sie diesmal festzuhalten?"
Such ich den Tod, obgleich ich niemals kannte,
was mich von innen hat entzweigespalten?
"Sie drängen zu! Nun gut, sie mögen walten!",
mir eilt mein Langen zu dem Fremden hin
und raubt dem Zauberhauch des Hauchens Sinn.

"Ihr bringt mit euch die Bilder froher Tage",
die in mir wie in fernen Sphären irren,
"gleich einer alten, halbverklungnen Sage."
Ich spüre in mir hoffnungsloses Wirren,
und dennoch stellt mein Ich sich selbst die Frage,
"Wird Schmerz wohl neu, und wiederholt die Klage?"
Ich finde mich allein zur Antwort vor,
ein Labyrinth türmt sich vor mir empor.

"Sie hören nicht die folgenden Gesänge",
denn in den Gängen weile ich allein.
"Zerstoben ist ihr freundliches Gedränge",
ich fürchte einsam mich vorm Einsamsein
und treibe fürderhin mich in die Enge.
"Mein Lied ertönt der unbekannten Menge",
mein Schreien bleibt von allen ungehört,
wenn es noch lebt, dann hat es mich zerstört.

"Und mich ergreift ein längst entwöhntes Sehnen"
nach Menschlichkeit, wie animale Gier.
"Sie schwebet nun in unbekannten Tönen"
und in mir stirbt der Mensch und lebt das Tier:
Ich will im Leben Sicherheiten wähnen,
"ein Schauer fasst mich, Träne folgt den Tränen."
Tief in mir bin ich klein und nicht bereit.
Mit meinem Ich verschwand die Wirklichkeit.