Wilhelm- Busch-Veranstaltung Wiesbaden-Biebrich

In Wiesbaden-Biebrich fand am 31. Mai die letzte Wilhelm- Busch-Veranstaltung vor der Sommerpause statt. Auch hier gab es großes Interesse und der Raum war mit über 45 Gästen gut gefüllt. Nicht nur die Rezitationen, sondern auch die lustigen musikalischen Beiträge zweier junger Damen am Klavier und Cello fanden viel Beifall.


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Wetterauer Zeitung, 1. April 2008

"Man ist ja kein Engel..."
Heiteres und Nachdenkliches zum 100. Todestag von Wilhelm Busch

Bad Nauheim. Es mussten noch Stühle herbei geschafft werden, so voll war es im Saal E des KWA-Parkstifts "Aeskulap", als die Wiesbadener Literaturrezitationsgruppe "Dichterpflänzchen" zum 100. Todestag von Wilhelm Busch aus dessen Lebenswerk Heiteres und Nachdenkliches vortrug. Die Vortragskünstler hatten ihr Programm unter Buschs Motto gestellt: "Man ist ja kein Engel...", aber es hätte ebenso gut auch unter das Bonmot des Satirikers Werner Finck gestellt werden können: "Wo der Spaß aufhört, fängt der Humor an."

So unvergesslich wie seine Bildergeschichten von Max und Moritz, der Frommen Helene und vielen anderen sind, so zeitlos sind seine schrulligen Reime, denen Sarkasmus und Hintersinnigkeit gleicherweise zu Eigen sind. Dies alles ließ Buschs Arbeiten zu genialer Reife gelangen. Die "Dichterpflänzchen" zeichneten in ihrem Rezitationsrahmen den Lebensweg eines großen, einsamen Künstlers in seinen spöttisch-ironischen Werken, jedoch auch in seiner ernsthaften Lyrik und seinen zeitgenössischen kritischen Kommentaren nach, was mehrmals Beifall hervorrief.

Altmeister Busch ist sowohl mit spitzer Feder wie mit bissigem Wortwitz, aber auch mit gütigen Verständnis eine Symbolfigur für Lebensklugheit geworden. Er nahm den kauzigen Mann auf die Schippe, karikierte die
Frömmelnde Frau, äffte den Spießbürger nach, hob das Skurrile am verhinderten Dichter und das Tragikomische am gescheiterten Maler hervor, spießte die Plackerei des Alltags auf, geißelte die Unterwürfigkeit mancher Kleinen sowie die Macht- und Geldgier mancher Großen und wickelte damit das ganze verworrene Knäuel des Menschlich-Allzumenschlichen auseinander.

Lutz Schauerhammer gab der Darbietung eine klar umrissene Linie. Die "Dichterpflänzchen" verstanden es meisterhaft, jene lockere Beiläufigkeit zu schildern, mit der Busch als Autor spritziger Bildeinfälle sein Schreibtalent, seine Darstellungsweise und seine Lebenskenntnis in seinen Gestalten lebendig und glaubhaft macht. Scharfsinn, Witz und Weitsicht des Künstlers verbünden sich mit dem Bedürfnis Menschen zu helfen. Es ist beileibe keine heile Welt und keine rosige Weltgeschichte, in dem sich Buschs vom Schicksal gebeutelte Figuren bewegen. Die Handlung zielt immer knapp an makaber-beklemmend realistischer Ironie vorbei. Vergangenheit und Gegenwart sind präzise präsent. Die Wiesbadener Literaturgruppe wusste dies deutlich zu machen, denn alles hängt mit allem zusammen.

Der Abend bot nicht nur Unterhaltendes, sondern auch Belehrendes. Da wurde ein Blick in Buschs Werdegang, Motivation, Entwicklungsphasen, Zeithintergrund und Rolle als humanistischer Mahner gewährt. Wilhelm Busch: "Manche Wahrheiten sollen nicht, manche brauchen nicht, manche müssen gesagt werden!"

Busch schrieb ein ganzes Bündel von Aphorismen. In jungen Jahren hatte er immer ein "ernster", ein "richtiger" Maler werden wollen, keineswegs "nur" humorvoller Zeichner. Auf dem Feld pointierten Schreibens ist er ein "ernster", ein "richtiger" Schriftsteller geworden. Schreibfeder und Zeichenstift entwarfen seinem Szenario mit leichtem Strich und hellem Ton die Perspektive des Welttheaters. Auf der Suche nach gültigen Formeln lautete sein Generalthema nicht Kurzweiligkeit, sondern Aufklärung. Busch bot seine ganze Einbildungskraft auf, um mit verzeihender Nachsicht das Garstige, Läppische und Tölpelhafte der menschlichen Natur vorzuführen. Die Vortragenden haben diesem "etwas anderen" Wilhelm Busch klare Konturen gegeben. Hinter lustigen Späßen tat sich nach und nach etwas Bewegendes auf: Buschs Gedanken und Einsichten in den universalen Zusammenhang der Dinge, in den kontinuierlichen Formenwechsel der Wirklichkeit, in die Verwandtschaft der Lebensformen insgesamt. Dies deutlich auf den Punkt zu bringen, war ein Verdienst der abendlichen Lesung.

Dr. Günther Petersen