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Von links Martha Schauerhammer, Lutz Schauerhammer, Ulla Cicconi.

„Ein Mann wie Lessing täte uns not“


Das sagte Johann Wolfgang von Goethe im Jahr 1825.

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Dieser Satz ist auch der Titel der Rezitationsveranstaltung der Dichterpflänzchen, die am Sonntag, den 07.Oktober 2012 im Bürgerinstitut Frankfurt am Main stattfand.

In ihrem poetischen Portrait entschieden sich die „Dichterpflänzchen“ Lessings Toleranzidee und sein schönes Konzept von Menschen- und Wahrheitsliebe vorzustellen. Eröffnet wurde die Matineeveranstaltung mit der Ringparabel aus Lessings Nathan der Weise. In Folge wurden Gedichte, wie Die drei Reiche der Natur, Die Gespenster, Lob der Faulheit, Der über uns und die Fabeln Der Adler , Zeus und das Schaf, Zeus und das Pferd, Der Schäfer und die Nachtigall präsentiert und kurze Auszüge aus Lessings Briefen und theoretischen Schriften vorgestellt. Die etwa 30 Gäste waren begeistert und dankten mit viel Applaus.

EIN HISTORISCHER SEITENBLICK

Friedrich II
Gotthold Ephraim Lessing - Friedrich II. von Preußen
Nicht nur in Potsdam und Berlin, in der ganzen Republik, wurde dieses Jahr der 300. Geburtstag des Königs von Preußen, Friedrich II., genannt „Friedrich der Große“ bekannt auch unter der Titulierung „Der alte Fritz“ gefeiert.

Lessing hat die Folgen der Regentschaft dieses „großen Preußen“ erlebt und auch in seinen Werken verarbeitet. Vor, während und nach dem Siebenjährigen Krieg hielt er sich in Preußen und in den eroberten Gebieten auf. Er litt mit den Menschen, die von Steuerlasten erdrückt wurden, erlebte die Verschuldung und Entlassung des soldatischen Adels und kritisierte die Bevorzugung französischen Philosophen.
  
  
  
voltaire
  
Im Jahr 1748 traf Lessing in Berlin mit Voltaire zusammen, der von Friedrich II an seinen Hof eingeladen worden war. Der Preußenkönig wollte seine Hauptstadt „zu einem Tempel großer Männer“ machen, hatte dabei jedoch nur die französische Kultur im Auge und nicht die deutsche. Lessing konnte sich bei seinem Aufenthalt in Berlin davon überzeugen, wie fern der ,,eng geschlossene, fremdsprachige Kreis den Bewohnern Berlins blieb" und Voltaire bezeichnete Lessing Friedrich II. gegenüber als ,,Erzfeind französischer Bildung".
  
  
  
    
  
  


Ewald_von_Kleist
  
Der Siebenjährige Krieg 1756 - 1763

Lessing ist gerade ein Jahr in Leipzig, als mit Preußens Angriff auf Sachsen 1756 der Siebenjährigen Krieg beginnt; er wird bis 1763 andauern. Lessing saß fest. Er musste sich ,,in einer Stadt einrichten, deren kunstheiteres Gesicht sich unter dem auch ökonomisch pressenden Regiment des Eroberers schnell verdüstert hatte.". Ein positiver Aspekt war jedoch, dass Lessing den Lyriker Ewald von Kleist traf, mit dem ihn eine tiefe, doch leider viel zu kurze Freundschaft verband. Als Kleist 1758 wieder an die Front geschickt wurde, hielt auch Lessing nichts mehr in Leipzig. Er ging für kurze Zeit wieder zurück nach Berlin.

Kleist wurde in der Schlacht bei Kunersdorf schwer verwundet und starb 1759. Lessing war tief betroffen. Er verlieh ihm Unsterblichkeit, indem er ihn zum fingierten Empfänger der ,,Briefe, die neueste Literatur betreffend" machte und auch dem Tellheim in ,,Minna von Barnhelm" seine Züge verlieh.

Minna von Barnhelm
Den Hintergrund des Lustspiels ,,Minna von Barnhelm" bilden die Folgen des Siebenjährigen Krieg. Die Heldin, eine Adlige aus dem durch preußische Eroberungen geplagten Sachsen, der Held, ein Veteran des Siebenjährigen Krieges, Schauplatz ist ein Berliner Gasthaus.

Lessing hat in seiner „Minna“ einen negativen Charakter unsterblich gemacht. Der Wirt, der als Polizeispitzel seine Gäste auszuspionieren hat steht stellvertretend für viele andere Wirte, die sich ebenso verhalten haben.



Auszug aus der 2. Szene des 1 Aktes:

Wirt. Wir Wirte sind angewiesen, keinen Fremden, wes Standes und Geschlechts er auch sei, vierundzwanzig Stunden zu behausen, ohne seinen Namen, Heimat, Charakter, hiesige Geschäfte, vermutliche Dauer des Aufenthalts und so weiter gehörigen Orts schriftlich einzureichen.

Fräulein. Sehr wohl.

Wirt. hro Gnaden werden also sich gefallen lassen – (indem er an einen Tisch tritt und sich fertig macht zu schreiben).

Fräulein. Sehr gern – Ich heiße –

Wirt. Einen kleinen Augenblick Geduld! – (Er schreibt.) »Dato, den 22. August a.c. allhier zum Könige von Spanien angelangt« – Nun Dero Namen, gnädiges Fräulein?

Fräulein. Das Fräulein von Barnhelm.

Wirt. Kommend? woher, gnädiges Fräulein?

Fräulein. Von meinen Gütern aus Sachsen.

Wirt. Aus Sachsen also? Ei, ei! aus Sachsen! Das liebe Sachsen! – Aber wo mir recht ist, gnädiges Fräulein, Sachsen ist nicht klein und hat mehrere – wie soll ich es nennen? – Distrikte, Provinzen. – Unsere Polizei ist sehr exakt, gnädiges Fräulein. –

Fräulein. Ich verstehe: von meinen Gütern aus Thüringen also.

Wirt. Aus Thüringen! Ja, das ist besser, gnädiges Fräulein, das ist genauer

Wirt. Suchen Ihro Gnaden etwas bei des Königs Majestät?

Fräulein.
O nein!

Wirt.
Oder bei unsern hohen Justizkollegiis?

Fräulein. Auch nicht.

Wirt.
Oder –

Fräulein. Nein, nein. Ich bin lediglich in meinen eigenen Angelegenheiten hier.

Wirt.
Ganz wohl, gnädiges Fräulein, aber wie nennen sich diese eigne
Angelegenheiten?

Fräulein. Sie nennen sich – Franziska, ich glaube, wir werden vernommen.

Franziska.
Herr Wirt, die Polizei wird doch nicht die Geheimnisse eines Frauenzimmers zu wissen verlangen?

Wirt. Allerdings, mein schönes Kind: die Polizei will alles, alles wissen; und besonders Geheimnisse.

Franziska.
Ja nun, gnädiges Fräulein; was ist zu tun? – So hören Sie nur, Herr Wirt – aber daß es ja unter uns und der Polizei bleibt! –


Lessing führte das Lustspiel zwar zu einem glücklichen Ende, aber die wirklichkeitsnahe Rolle des durch den Krieg verarmten und verstümmelten preußischen Majors von Tellheim traf nicht den Geschmack des Alten Fritz.

Lessings Freund und Verleger Nicolai, der mit dem König gut steht, macht sich zurecht Sorgen wegen der Aktualität des Stückes. Er schreibt in einem Brief:

„Die Idee ist gut und sonderbar. Inzwischen kommen viele Stiche auf die Preußische Regierung etc. darin vor, die ich als ein Preußischer Unterthan wohl wegwünschen möchte. er hat dies freilich nur hineingesetzt, um sein Lustspiel local zu machen, ich befürchte aber doch daß sich mancher daran stoßen wird.“


1767 kam das Stück auf die Bühne, es läuft zunächst in Hamburg und schließlich nach einigen Schwierigkeiten mit der Zensur am 21. März 1768 in Berlin. Ein Bombenerfolg. Theaterdirektor Döbbelin ist aus dem Häuschen, immer wieder völlig ausverkaufte Vorstellungen, immer wieder der Ruf des Publikums nach Fortsetzung. Bis Angehörige der königlichen Familie das Theater besuchen. Zur neunzehnten Vorstellung erscheinen Bruder Heinrich, Schwester Philipine und Markgraf Heinrich, natürlich ohne den König. Die Zuschauer wagen nicht, wie sonst, Bravo!! da capo!! Minna! zu rufen. Das Stück wird abgesetzt, „wegen mangelnder Nachfrage“.

Schon vor der “Minna“ hatte Lessing an Nicolai geschrieben:

„Lassen Sie einen in Berlin auftreten, der für die Rechte der Untertanen und gegen die Aussaugung und den Despotismus seine Stimme erheben wollte, wie es jetzt sogar in Frankreich und Dänemark geschieht, und Sie werden bald die Erfahrung haben, welches Land bis auf den heutigen Tag das sklavischste Land von Europa ist.“


Und nach dem Stück abgesetzt wurde, schreibt er an einen Freund:

„Sie sind krank gewesen? Aber wie kann man in Berlin gesund sein? Alles, was man da sieht, muß einem ja die Galle ins Geblüt jagen.“

Und so verpasst der “aufgeklärte“ Despot, der jeden nach seiner Facon selig werden lassen wollte, der nur französische Literatur gelten lässt und in französisch eine inkompetente Kritik der deutschen Literatur schreibt, eines der wichtigsten deutsche Stücke des 18.Jahrhunderts.