Plakat_Freude_2018


Freude, schöner Götterfunken


Musikalische Lesung - zu Friedrich Schillers Gedicht Ode „An die Freude“

Sonntag, 22.04.2018 um 16:00 Uhr
Klosterkirche der Ursulinen
Burggasse 40, 94314 Straubing


Bettina Thurner (Mezzosopran), Judith Wagner (Orgel), Martin Thom (Geige),
Martha und Lutz Schauerhammer (Moderation und Rezitation)

Eintritt frei – Spende erbeten

Der junge Friedrich Schiller, gerade aus Baden-Württemberg nach Leipzig geflohen, schrieb die Ode „An die Freude“ im Jahr 1785 für seinen Gönner und Freund Gottfried Körner. Körner bot ihm unerwartet Hilfe in einer existenzbedrohenden Situation. Schillers Furcht vor Kerkerhaft wandelt sich in Freiheit, seine erdrückende Schuldenlast, in finanzielle Sicherheit. Die Erleichterung und Freude über sein neues unbeschwertes Leben bei wohlwollenden Freunden spiegelt sich deutlich in diesem Gedicht. Aber mehr noch, in vielen Strophen strahlt Schillers Begeisterung für die republikanischen Entwürfe seiner Zeit und sein Konzept zur Charakterbildung der Menschheit durch Schönheit in der Kunst. Alles, was den 26 jährigen Freigeist im Innersten bewegte, Freiheit, Verbesserung der Gesellschaft und des Individuums, Brüderlichkeit, Freundschaft und Versöhnung, fließt überschwänglich in dieses Gedicht ein.

Später vertont Ludwig van Beethoven Schillers Ode „An die Freude“ in seiner 9. Sinfonie. Mehr noch, er gibt ihr einen eigenen Satz, einen Chorsatz, der alle, die ihn hören, an Schillers Ideal erinnert und auffordert diese erneut aufzugreifen. Beethoven setzt Unterdrückung, Hass und Armut die Ode „An die Freude“ entgegen. - Die vertraute Melodie wird 1985 zur Europahymne, die auf der ganzen Welt gesungen wird.

Heute Nachmittag werden in der Präsentation die Gedanken von Freiheit, Brüderlichkeit und Freundschaft in Liedern, Gedichten und Briefstellen veranschaulicht. Obwohl, oder gerade weil die Welt des 21. Jahrhunderts gewalttätig, egoistisch und freudlos erscheint, wollen die mitwirkenden Künstler daran erinnern, dass Freude die treibende Kraft in Gottes Schöpfung ist.

FREIHEIT, GLEICHHEIT, BRÜDERLICHKEIT

Als das Gedicht entstand gab es in Deutschland weder Bürgerrechte noch den Begriff Menschenrechte. Aber die Bestrebungen nach Selbstbestimmung waren in anderen Regionen der Welt schon erfolgreich. Schiller schreibt das Gedicht im Jahr 1785, also keine 10 Jahre nach der gelungenen Amerikanischen Revolution und kaum 4 Jahre vor der Französischen Revolution, die in Paris mit dem Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789 ihren Anfang nahm. Deren Ruf nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit schallte bereits durch die europäischen Länder.

In Amerika war der Entwurf eines republikanischen, also von Bürgern getragenen, Staatswesens gelungen. Die Auswirkungen begeisterten alle freien Denker der alten Welt und erschütterten das alten Machtgefüge der herrschenden Fürsten- und Herzogtümer in Europa. Dass ein Volk sich selbst eine Verfassung gibt, so etwas hat es noch nie zuvor gegeben.

Unabhängikeitserklärung der Vereinigten Staaten gegeben im Kongreß am 4. Juli 1776

»Wir halten diese Wahrheiten für selbstverständlich: daß alle Menschen gleich geschaffen sind; daß sie von ihrem Schöpfer mit unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind; daß dazu Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit gehören; daß zur Sicherung dieser Rechte Regierungen unter den Menschen eingesetzt sind, die ihre rechtmäßige Macht aus der Zustimmung der Regierten herleiten; daß, wann immer irgendeine Regierungsform sich als diesen Zielen abträglich erweist, es Recht des Volkes ist, sie zu ändern oder abzuschaffen und eine neue Regierung einzusetzen und diese auf solchen Grundsätzen aufzubauen und ihre Gewalten in der Form zu organisieren, wie es ihm zur Gewährleistung seiner Sicherheit und seines Glückes geboten zu sein scheint.

Gewiß gebietet die Klugheit, daß von alters her bestehende Regierungen nicht aus geringfügigen und vorübergehenden Anlässen geändert werden sollten . . . aber wenn eine lange Reihe von Mißbräuchen und Übergriffen, ... die Absicht erkennen läßt, sie absolutem Despotismus zu unterwerfen, so ist es ihr Recht, ja ihre Pflicht, eine solche Regierung zu beseitigen und neue Bürgen für ihre künftige Sicherheit zu bestellen...

Daher tun wir, die Vertreter der Vereinigten Staaten unter Anrufung des obersten Richters über diese Welt als Zeugen für die Ehrlichkeit unserer Absichten namens und im Auftrag aller rechtschaffenen Menschen dieser Kolonien feierlich kund, daß diese Vereinigten Kolonien freie und unabhängige Staaten sind und es von Rechts wegen sein müssen; … Und zur Unterstützung dieser Erklärung verpflichten wir uns gegenseitig feierlich in festem Vertrauen auf den Schutz der göttlichen Vorsehung zum Einsatz unseres Lebens, unseres Gutes und der uns heiligen Ehre.«

Strophe in Schillers Ode „An die Freude“:

Festen Mut in schwerem Leiden,
Hülfe, wo die Unschuld weint,
Ewigkeit geschwornen Eiden,
Wahrheit gegen Freund und Feind,
Männerstolz vor Königsthronen –
Brüder, gält es Gut und Blut, –
Dem Verdienste seine Kronen,
Untergang der Lügenbrut!


Schiller, ein politischer, freier Geist hat sich in seinem späten Drama Wilhelm Tell in der Rütlischwur-Szene von der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika inspirieren lassen. Die Schweizer Bürger treffen sich nachts in der Nähe des Rütlis und nehmen die Geschicke ihres Landes selbst in die Hand:

Wilhelm Tell, zweiter Aufzug, zweite Szene
Stauffacher:
Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht,
Wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden,
Wenn unerträglich wird die Last – greift er
Hinauf getrosten Mutes in den Himmel,
Und holt herunter seine ew'gen Rechte,
Die droben hangen unveräusserlich
Und unzerbrechlich wie die Sterne selbst –
Der alte Urstand der Natur kehrt wieder,
Wo Mensch dem Menschen gegenübersteht –
Zum letzten Mittel, wenn kein andres mehr
Verfangen will, ist ihm das Schwert gegeben –
Der Güter höchstes dürfen wir verteid'gen
Gegen Gewalt – Wir stehn vor unser Land,
Wir stehn vor unsre Weiber, unsre Kinder!
….

Alle haben unwillkürlich die Hüte abgenommen und betrachten mit stiller Sammlung die Morgenröte.

Bei diesem Licht, das uns zuerst begrüsst
Von allen Völkern, die tief unter uns
Schweratmend wohnen in dem Qualm der Städte,
Lasst uns den Eid des neuen Bundes schwören.

– Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern,
In keiner Not uns trennen und Gefahr.

– Wir wollen frei sein wie die Väter waren,
Eher den Tod, als in der Knechtschaft leben.

– Wir wollen trauen auf den höchsten Gott
Und uns nicht fürchten vor der Macht der Menschen.

Indem sie zu drei verschiednen Seiten in grösster Ruhe abgehen, fällt das Orchester mit einem prachtvollen Schwung ein, die leere Szene bleibt noch eine Zeitlang offen und zeigt das Schauspiel der aufgehenden Sonne über den Eisgebirgen.


Begeisterung in Deutschland

Nun kam die Amerikanische Revolution nach Europa zurück 1789. Die Haltung deutscher Intellektueller zur Französischen Revolution war bis 1792 fast ungeteilt positiv. Sie begrüßten emphatisch die Vorgänge in Frankreich. Klopstock schrieb seine berühmte Ode „Sie und nicht wir“ (1790). Johann Wilhelm von Archenholz stellte 1789 fest. „Die französische Revolution verdrängt durch ihr gewaltiges Interesse alles; die besten Gedichte bleiben ungelesen. Man greift nur noch nach Zeitungen und solchen Schriften, die den politischen Heißhunger stillen.“

Anfang September 1792 fand Schiller in den deutschen Zeitungen, die seltsame Nachricht, daß der französische Nationalkonvent ihn „le sieur Giller, publiciste allemand" wegen seiner Verdienste um die Sache der Freiheit einstimmig den Ehrentitel eines citoyen francais verliehen hatte. Hatte er aber die Veränderungen in Frankreich anfänglich noch begrüßt, begann mit dem jakobinischen Terror 1793 ein Umdenkungsprozess.


Fürstenwillkür

Wenige Kilometer von Ludwigsburg entfernt liegt die Landesfestung Hohenasperg. Sie wurde zum Kerker für so viele Freidenker und Demokraten unter den württembergischen Herrschern – eine deutsche Bastille, noch lange nachdem das Urbild in Paris gefallen und abgerissen war.

"Schauer fuhr durch mein Gebein, als sich der Asperg vor mir aus seinem blauen Schleier enthüllte. ›Was wird dich dort erwarten?‹ – so dacht’ ich, als der Wagen bereits vor der Festung stille hielt. Wem man mit eiskalter Hand ins Herz greift, und es ihm quetscht, dass blutige Tropfen in beeden Augenwinkeln hangen, dem ist’s nicht banger als mir." So schreibt der Journalist, Dichter und Musiker Christian Friedrich Daniel Schubart, als er 1777 hier für 10 Jahre ins Loch geworfen wird. Und noch viele politische Gefangene folgten Schubarts Weg ins Staatsverlies.

Schubarts einziges Vergehen: Er hatte kritische Artikel in seiner Wochenzeitung „Deutsche Chronik“ geschreiben. Besonders des Soldatenhandels nahm Schubart sich an. Er beschuldigte die Landesherren von Hessen, Braunschweig und Bayern des Menschenhandels, sie verkauften ihre Untertanen an die englische Krone für deren Krieg gegen die rebellischen amerikanischen Kolonien.

Später durfte der Gefangene Besucher empfangen. Zu ihnen gehörte im November 1781 der junge Friedrich Schiller, der Schubarts Abhandlung „Zur Geschichte des menschlichen Herzens“ als Vorbild für seine Räuber nahm. Sicher war die Begegnung für den 22-Jährigen auch eine Warnung. Bald darauf, im September 1782, floh Schiller von Stuttgart nach Mannheim – seinem Herzog hatten „Die Räuber“ missfallen. Er drohte dem Dichter: "Ich sage, bei Strafe der Kassation schreibt er keine Comödien mehr."


Christian Friedrich Daniel Schubart
An die Freiheit

O Freiheit, Freiheit! Gottes Schooß entstiegen,
Du aller Wesen seligstes Vergnügen,
An tausendfachen Wonnen reich,
   Machst du die Menschen Göttern gleich.

Wo find' ich dich, wo hast du deine Halle?
Damit auch ich anbetend niederfalle;
Dann ewig glücklich – ewig frei
Ein Priester deines Tempels sey.

Einst walltest du so gern in Deutschlands Hainen,
Und ließest dich vom Mondenlicht bescheinen,
Und unter Wodanseichen war
Dein unentweihtester Altar.

Es sonnte Hermann sich in deinem Glanze,
An deine Eiche lehnt` er seine Lanze,
Und ach, mit mütterlicher Lust
Nahmst du den Deutschen an die Brust.

Bald aber scheuchten Fürsten deinen Frieden,
Und Pfaffen, die so gerne Fesseln schmieden;
Da wandtest du dein Angesicht
Wo Fesseln rasseln – bist du nicht.

Dann flogst du zu den Schweizern, zu den Britten;
Warst seltner in Pallästen, als in Hütten;
Auch bautest du ein leichtes Zelt
Dir in Kolumbus neuer Welt.

Und endlich, allen Völkern zum Erstaunen,
Als hätt' auch eine Göttin ihre Launen,
Hast du dein Angesicht verklärt
Zu leichten Galliern gekehrt.



Den Soldatenhandel greift Schiller in seinem Theaterstück Kabale und Liebe auf.

Kabale und Liebe, Zweiter Akt, zweite Szene.
Ein alter Kammerdiener des Fürsten, der ein Schmuckkästchen trägt. Die Vorigen.

Kammerdiener.
Seine Durchlaucht der Herzog empfehlen sich Milady zu Gnaden und schicken Ihnen diese Brillanten zur Hochzeit. Sie kommen so eben erst aus Venedig.

Lady (hat das Kästchen geöffnet und fährt erschrocken zurück).
Mensch! was bezahlt dein Herzog für diese Steine?

Kammerdiener (mit finsterm Gesicht).
Sie kosten ihn keinen Heller!

Lady.
Was? Bist du rasend? Nichts? – und (indem sie einen Schritt von ihm wegtritt) du wirfst mir ja einen Blick zu, als wenn du mich durchbohren wolltest – Nichts kosten ihn diese unermeßlich kostbaren Steine?

Kammerdiener.
Gestern sind siebentausend Landskinder nach Amerika fort – die bezahlen Alles.

Lady (setzt den Schmuck plötzlich nieder und geht rasch durch den Saal, nach einer Pause zum Kammerdiener).
Mann! Was ist dir? Ich glaube, du weinst?

Kammerdiener (wischt sich die Augen, mit schrecklicher Stimme, alle Glieder zitternd).
Edelsteine, wie diese da – ich hab' auch ein paar Söhne drunter.

Lady (wendet sich bebend weg, seine Hand fassend).
Doch keinen gezwungenen?

Kammerdiener (lacht fürchterlich).
O Gott! – Nein – lauter Freiwillige! Es traten wohl so etliche vorlaute Bursch' vor die Front heraus und fragten den Obersten, wie theuer der Fürst das Joch Menschen verkaufe. – Aber unser gnädigster Landesherr ließ alle Regimenter auf dem Paradeplatz aufmarschieren und die Maulaffen niederschießen. Wir hörten die Büchsen knallen, sahen ihr Gehirn auf das Pflaster spritzen, und die ganze Armee schrie: Juchhe! nach Amerika! –

Lady (fällt mit Entsetzen in den Sopha).
Gott! Gott! – Und ich hörte nichts? Und ich merkte nichts?

Kammerdiener.
Ja, gnädige Frau – Warum mußtet ihr denn mit unserm Herrn gerad' auf die Bärenhatz reiten, als man den Lärmen zum Aufbruch schlug? – Die Herrlichkeit hättet ihr doch nicht versäumen sollen, wie uns die gellenden Trommeln verkündigten, es ist Zeit, und heulende Waisen dort einen lebendigen Vater verfolgten, und hier eine wüthende Mutter lief, ihr saugendes Kind an Bajonetten zu spießen, und wie man Bräutigam und Braut mit Säbelhieben auseinander riß, und wir Graubärte verzweiflungsvoll da standen und den Burschen auch zuletzt die Krücken noch nachwarfen in die neue Welt – Oh, und mitunter das polternde Wirbelschlagen, damit der Allwissende uns nicht sollte beten hören –

Lady (steht auf, heftig bewegt).
Weg mit diesen Steinen – sie blitzen Höllenflammen in mein Herz. (Sanfter zum Kammerdiener.) Mäßige dich, armer alter Mann. Sie werden wieder kommen. Sie werden ihr Vaterland wieder sehen.

Kammerdiener (warm und voll).
Das weiß der Himmel! Das werden sie! – Noch am Stadtthor drehten sie sich um und schrieen: »Gott mit euch, Weib und Kinder! – Es leb' unser Landesvater – Am jüngsten Gericht sind wir wieder da!« –

Lady (mit starkem Schritt auf und nieder gehend).
Abscheulich! Fürchterlich! – Mich beredet man, ich habe sie alle getrocknet, die Thränen des Landes – Schrecklich, schrecklich gehen mir die Augen auf – Geb du – Sag deinem Herrn – Ich werd' ihm persönlich danken! (Kammerdiener will gehen, sie wirft ihm ihre Geldbörse in den Hut.) Und das nimm, weil du mir Wahrheit sagtest –

Kammerdiener (wirft sie verächtlich auf den Tisch zurück).
Legt's zu dem Übrigen. (Er geht ab.)


Don Karlos

Zu der Zeit, als Schiller, in Leipzig und Dresden weilend, die Ode „An die Freude“ schreibt, arbeitet er bereist an seinem nächsten Drama, dem Don Carlos. Phillip II, König von Spanien, will die Niederlande unterwerfen, Don Karlos sein Sohn und Kronprinz ist dagegen, genauso wie sein Freund Marquis von Posa. Dieser sagt dem, durch Gottes Gnaden herrschenden König offen die Meinung.

Don Karlos, Dritter Akt, zehnter Auftritt:

Marquis (mit Feuer).
Ja, beim Allmächtigen!
Ja – ja – ich wiederhol' es. Geben Sie,
Was Sie uns nahmen, wieder! Lassen Sie
Großmüthig, wie der Starke, Menschenglück
Aus Ihrem Füllhorn strömen – Geister reifen
In Ihrem Weltgebäude! Geben Sie,
Was Sie uns nahmen, wieder. Werden Sie
Von Millionen Königen ein König.

(Er nähert sich ihm kühn, und indem er feste und feurige Blicke auf ihn richtet.)

O, könnte die Beredsamkeit von allen
Den Tausenden, die dieser großen Stunde
Theilhaftig sind, auf meinen Lippen schweben,
Den Strahl, den ich in diesen Augen merke,
Zur Flamme zu erheben! Geben Sie
Die unnatürliche Vergöttrung auf,
Die uns vernichtet! Werden Sie uns Muster
Des Ewigen und Wahren! Niemals – niemals
Besaß ein Sterblicher so viel, so göttlich
Es zu gebrauchen. Alle Könige
Europens huldigen dem spanischen Namen.
Gehn Sie Europens Königen voran.
Ein Federzug von dieser Hand, und neu
Erschaffen wird die Erde. Geben Sie
Gedankenfreiheit. – (Sich ihm zu Füßen werfend.)

König (überrascht, das Gesicht weggewandt und dann wieder au den Marquis geheftet).
Sonderbarer Schwärmer!
Doch – steht auf – ich –

Marquis.
Sehen Sie sich um
In seiner herrlichen Natur! Auf Freiheit
Ist sie gegründet – und wie reich ist sie
Durch Freiheit! Er, der große Schöpfer, wirft
In einen Tropfen Thau den Wurm und läßt
Noch in den todten Räumen der Verwesung
Die Willkür sich ergötzen – Ihre Schöpfung,
Wie eng und arm! Das Rauschen eines Blattes
Erschreckt den Herrn der Christenheit – Sie müssen
Vor jeder Tugend zittern. Er – der Freiheit
Entzückende Erscheinung nicht zu stören –
Er läßt des Uebels grauenvolles Heer
In seinem Weltall lieber toben – ihn,
Den Künstler, wird man nicht gewahr, bescheiden
Verhüllt er sich in ewige Gesetze;
Die sieht der Freigeist, doch nicht ihn. Wozu
Ein Gott? sagt er: die Welt ist sich genug.
Und keines Christen Andacht hat ihn mehr,
Als dieses Freigeists Lästerung, gepriesen.

König.
Und wollet Ihr es unternehmen, dies
Erhabne Muster in der Sterblichkeit
In meinen Staaten nachzubilden?

Marquis.
Sie,
Sie können es. Wer anders? Weihen Sie
Dem Glück der Völker die Regentenkraft,
Die – ach, so lang – des Thrones Größe nur
Gewuchert hatte – stellen Sie der Menschheit
Verlornen Adel wieder her. Der Bürger
Sei wiederum, was er zuvor gewesen,
Der Krone Zweck – ihn binde keine Pflicht,
Als seiner Brüder gleich ehrwürd'ge Rechte.

Der Landmann rühme sich des Pflugs und gönne
Dem König, der nicht Landmann ist, die Krone.
In seiner Werkstatt träume sich der Künstler
Zum Bildner einer schönern Welt. Den Flug
Des Denkers hemme ferner keine Schranke
Als die Bedingung endlicher Naturen.
Nicht in der Vatersorge stillem Kreis
Erscheine der gekrönte Fremdling. Nie
Erlaub' er sich, der Liebe heilige
Mysterien unedel zu beschleichen.
Die Menschheit zweifle, ob er ist. Belohnt
Durch eignen Beifall, berge sich der Künstler
Der angenehm betrogenen Maschine.

Wenn nun der Mensch, sich selbst zurückgegeben,
Zu seines Werths Gefühl erwacht – der Freiheit
Erhabne, stolze Tugenden gedeihen –
Dann, Sire, wenn Sie zum glücklichsten der Welt
Ihr eignes Königreich gemacht – dann ist
Es Ihre Pflicht, die Welt zu unterwerfen.



FREUDE, SCHÖNER GÖTTERFUNKE

Freude heißt die starke Feder
In der ewigen Natur.
Freude, Freude treibt die Räder
In der großen Weltenuhr.
Blumen lockt sie aus den Keimen,
Sonnen aus dem Firmament,
Sphären rollt sie in den Räumen,
Die des Sehers Rohr nicht kennt.

Aus der Wahrheit Feuerspiegel
Lächelt sie den Forscher an.
Zu der Tugend steilem Hügel
Leitet sie des Dulders Bahn.
Auf des Glaubens Sonnenberge
Sieht man ihre Fahnen wehn,
Durch den Riß gesprengter Särge
Sie im Chor der Engel stehn.



Wilhelm von Humboldt im Aufsatz: Über Schiller und den Gang seiner Geistesentwicklung.

„Dieser Glaube an die dem Menschen unsichtbar inwohnende Kraft, die erhabene und so tief wahre Ansicht, dass es eine innere geheime Übereinstimmung geben muss zwischen ihr und der das ganze Weltall ordnenden und regierenden, war ein charakteristischer Zug in Schillers Ideensystem.“

Schiller geht davon aus, dass es einen harmonischen Zusammenhang zwischen dem Menschen und der Natur sowie zwischen Individuum und Gesellschaft gibt – ein Zusammenhang, der von den Denkern der sogenannten „Moderne“ prinzipiell abgelehnt wird. Der Zugang zur Schöpfung, das Erkennen von Gesetzmäßigkeiten und deren Neuschöpfung ist dem Menschen möglich und dieser Prozess erzeugt in ihm ein besonderes Glücksgefühl, macht Freude.
Wenn Schiller von Freude spricht, dann meint er genau diese Freude.

Wenn ein Kind geboren wird, dann weinen die Eltern Freudentränen; neues Leben ist Freude.
Wenn das Kind zum ersten Mal alleine seine Jacke zuknöpft und jubelnd in die Hände klatscht; neues Können gibt Freude.
Wenn ein Schüler plötzlich die Lösung einer geometrischen Aufgabe erkennt und übers ganze Gesicht strahlt; neues Entdecken ist Freude.
Wenn Kinder am Strand eine Sandburg bauen, um sie dann wieder einzureißen und unter Lachen und Johlen noch schöner zu machen; Erschaffen ist Freude.

Die Freude befähigt den Menschen die Schönheit der Schöpfung zu empfinden, deshalb empfiehlt Schiller: „Huldige der Sympathie! Zu den Sternen leitet sie, wo der Unbekannte thronet!“ - Der Freude Zauber bewirkt, dass, wir all das was uns trennt überwinden und uns mit allen Menschen dieser Welt verbrüdern können. - Ist das nicht ein unglaublich schöner Gedanke!?


FREUNDSCHAFT

Wem der große Wurf gelungen,
Eines Freundes Freund zu sein;
Wer ein holdes Weib errungen,
Mische seinen Jubel ein!
Ja – wer auch nur eine Seele
Sein nennt auf dem Erdenrund!
Und wers nie gekonnt, der stehle
Weinend sich aus diesem Bund!



Schillers Freunde in Dresden-Loschwitz:
Schiller-freunde
Gottfried Körner u. Minna (geb. Stock) - Ferdinand Huber u. Dora (geb. Stock)


In Dresden, direkt auf dem jenseitigen Elbufer, das sie über das „blaue Wunder“ erreichen liegt der Vorort, damals das Dorf, Loschwitz. Körner besaß dort in einem lieblichen, von Rebenpflanzungen eingeschlossenen Tal einen Weinberg. Auf der Anhöhe, wo die Weinpflanzungen an das Fichtenwäldchen grenzten, hatte man Schiller einen Gartensaal eingeräumt. Hier gab er dem in Prosa vorliegenden „Don Carlos“ eine neue Gestalt.

Körner lud an einem schönen Herbsttag zu einer Landpartie. Schiller aber wollte weiter arbeiten und blieb zu Hause. Minna, Körners Frau, hatte aber, in der Annahme, dass Friedrich mitfahren werde, alle Schränke und Türen und den Keller verschließen lassen. So fand sich Friedrich ohne Speis und Trank, ja sogar ohne Feuerholz. - Seine Unmut steigerte sich noch, da direkt vor dem Fenster Wäsche gewaschen wurde. Seine schlechte Laune machte sich aber in drolligen Strophen Luft, die zu den heitersten zählen, die er je geschrieben hat.

„Untertänigstes Promemoria an die Konsistorialrat Körnersche weibliche Waschdeputation eingereicht von einem niedergeschlagenen Trauerspieldichter in Loschwitz“.

Bittschrift

Dumm ist mein Kopf, und schwer wie Blei,
    Die Tabaksdose ledig,
Mein Magen leer, der Himmel sei
    Dem Trauerspiel gnädig!

Ich kratze mit dem Federkiel
    Auf den gewalkten Lumpen;
Wer kann Empfindung, wer Gefühl
    Aus hohlem Herzen pumpen.

Feu’r soll ich gießen auf’s Papier
    Mit angefrornem Finger –
O Phöbus, hassest Du Geschmier,
    So wärm’ auch Deinen Jünger.

Die Wäsche klatscht vor meiner Tür,
    Es plärrt die Küchenzofe,
Und mich – mich ruft das Flügeltier
    Nach König Philipps Hofe.

Ich steige mutig auf das Ross,
    In wenigen Sekunden
Seh’ ich Madrid; am Königsschloss
    Hab’ ich es angebunden.

Ich eile durch die Galerie,
    Und siehe da – belausche
Die junge Fürstin Eboli
    Im süßen Liebesrausche.

Jetzt sinkt sie an des Prinzen Brust
    Mit wonnevollem Schauer,
In ihren Augen Götterlust,
    Doch in den seinen Trauer.

Schon ruft das schöne Weib Triumph,
    Schön hör’ ich – – Tod und Hölle!
Was hör’ ich? – einen nassen Strumpf
    Geworfen in die Welle.

Und weg ist Traum und Feerei!
    Prinzessin, Gott befohlen!
Der Teufel soll die Dichterei
    Beim Hemdenwaschen holen.
Gegeben in unserer jammervollen Lage, unweit dem Keller.
Friedrich Schiller, Haus- und Wirtschaftsdichter.


Die Jahre in Leipzig und Dresden gehören zu den glücklichsten Jahren Schillers. Selten war sein Leben so frei und unbeschwert. Er lies sich sogar zu Karikaturen über die schriftstellerische Arbeit seines einen Freund Körner hinreißen.
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Das Schiller-Körner-Denkmal, auch Schiller-Körner-Brunnen bezeichnet, in Dresden befindet sich als Hochrelief an einer Stützmauer gegenüber dem Schillerhäuschen.
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Es erinnert an die Freundschaft Christian Gottfried Körners mit Schiller, aber auch an dessen letzten Besuch und endgültigen Abschied 1801 sowie den Abschied von Körners Sohn Theodor, der 1813 als Angehöriger des Lützowschen Freikorps in den Krieg gegen Napoléon Bonapartes Truppen zog und noch im gleichen Jahr fiel.