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Ein Beitrag des Poesievereins Dichterpflänzchen e.V

Die Göttliche Komödie
Selbsterkenntnis, Willensfreiheit und Liebe


Sonntag, den 18. Oktober 2015, um 11:00 Uhr
FRAGMENTE
Eltviller Str. 2, 65197 Wiesbaden

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Im Rahmen des „Dante-Projekts Wiesbaden“ findet in den Räumen von Fragmente eine explikative Lesung zur „Göttlichen Komödie“ statt. Die „Dichterpflänzchen“ zeigen auf, dass Dantes grandioses Werk, obwohl vor mehr als 700 Jahren entstanden, auch heute noch hilfreich sein kann soziale und moralische Fragen zu beantworten. Die Lesung wird mit Rezitationen ergänzt und bietet Raum für Gespräche.

Dante Alighieri, ein Mann des Mittelaltes, war auch ein Revolutionär. Er schreib, als Erster, nicht auf Lateinisch, sondern in der Sprache des Volkes. Und er sagte „ich“. Sein Buch ist vom ersten bis zum letzten Vers eine Ich-Erzählung – wenn man will, eine kühne Anmaßung. Sie zeigt, dass Dante, noch ganz in der antiken und christlich-mittelalterlichen Welt verwurzelt, zugleich selbstbewusst an der Schwelle zur Moderne stand. Deswegen verstehen wir ihn auch dann, wenn wir ratlos vor dem Geschehen stehen, das er vor uns ausbreitet (aus Prof. Kurt Flasch, Einladung Dante zu Lesen).
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(Zeichnung aus dem L'OSSERVATORE ROMANO vom 4.5.2015)

In seinem auf lateinisch verfassten Schreiben an Cangrande della Scala, den Fürsten von Verona, aus dem Jahr 1316, gibt Dante hinreichend Auskunft über die Tatsache, dass seine Commedia „nicht eine einfache Bedeutung hat“, sondern dass sie immer auch zugleich allegorisch zu verstehen sei. Erst wenn man diese allegorische Dimension in ihrem ganzen Umfang berücksichtige, sei es möglich, den Gegenstand der Commedia zu erfassen.
Diesen Gegenstand benennt Dante mit den Worten:

„Es ist der Mensch, insofern er aufgrund der Willensfreiheit durch Verdienst und Schuld der
belohnenden und bestrafenden Gerechtigkeit unterworfen ist“.

Womit die philosophisch-ethische Sinnebene auf die kürzeste Formel gebracht ist.
Dass es sich um Philosophie handelt, sagt er selbst, indem er an späterer Stelle seiner Epistel betont, dass seine Dichtung „im Ganzen und im Teil“ philosophisch vorgehe, nämlich nach dem Muster der „Moralphilosophie oder Ethik“.

Eine Schlüsselstelle aus der Komödie.
Es handelt sich um einen jener typischen Dialoge; er findet gleich zu Beginn des Purgatorio statt. Vergil und Dante haben soeben den letzten Kreis der Hölle verlassen und befinden sich am Fuße des Läuterungsberges. Die Erde hat sie wieder - und Dante ergeht sich in der Betrachtung der langsam erblassenden Sterne. Da taucht vor ihnen der Wächter des Eingangs zum Purgatorio auf, der würdiger Greis Cato.

Dieser erkennt zwar, dass die beiden Wanderer durchgelassen werden wollen, kann sich aber nicht erklären, wie sie es geschafft haben, aus der Hölle aufzusteigen und vor allem, warum das passieren konnte. So stellt er eine Reihe von Fragen, woraufhin Vergil zu einer längeren Erklärung ansetzt, um sie zu beantworten. Als er zu dem Punkt kommt, der erklären soll, was denn den Menschen Dante überhaupt dazu gebracht hat, die Reise durch das Jenseits zu unternehmen, sagt Vergil:

Nun möge dir sein Kommen wohlgefallen.
Die Freiheit will er suchen, die so teuer,
Wie der wohl weiß, der ihr sein Leben opfert.
Du weißt es, denn für sie war dir nicht bitter
In Utica der Tod, wo du gelassen
Das Kleid, das einst am jüngsten Tag erstrahlet. (Purg. I, vv. 70-75)
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(Gustave Doré, 1. Gesang Läuterungsberg – Cato, Dante und Vergil)