Rabindranath Thakur Sehnsucht und Liebe
Bengalische und deutsche Gedichte,
Thakurs Lieder und Erinnerungen
Konzeption und Mitwirkung Dr. A. Banerjee
Rezitationen Dichterpflänzchen
Kooperation Deutsch-Indische Gesellschaft Mainz
Mittwoch, den 20. Mai 2015, 19:00h
Rathaus Mainz
Jockel-Fuchs-Platz 1
55122 Mainz
Anmeldungen: 06131 572516
Eintritt frei
Ein ausführlicher Bericht wird in den kommenden Tagen veröffentlicht!
Die Dichterpflänzchen stellen die Gedichte in den Übertragungen
aus dem Bengalischen von Dr. Martin Kämpchen vor.
Sie sind alle aus dessen Buch entnommen:
Rabindranath Tagore - Gedichte und Lieder
Ausgewählt und aus dem Bengalischen übersetzt von Martin Kämpchen
Insel Verlag, Berlin 2011, ISBN: 978-3-458-17501-8
Sehnsucht und Liebe bei Rabindranth Thakur
Ankündigungstext von Dr. A. Banerjee
Ich möchte Ihnen eine kurze Geschichte erzählen:
Vor langer Zeit lebte in Kalkutta ein kleiner Junge. Er war fünf Jahre alt. Er lebte in einem Palast. Sein Vater war oft auf Geschäftsreisen, seine Mutter hatte viele gesellschaftliche Verpflichtungen. Sie hatte den Jungen sehr lieb, aber sie hatte sehr wenig Zeit für ihn. Der Junge hatte keine Spielkameraden. Er war immer allein. Er stand am Fenster und wartete sehnsüchtig auf seine Mutter.
Dieser einsame Junge hieß Rabindranath Thakur. Diese Einsamkeit der Kindheit prägte Thakurs Leben und sein dichterisches Werk.
Sehnsucht
Rabindranath Thakur fühlte sich tief von der Natur, den Menschen und von Gott angezogen. Diese drei Themen mischen sich während seines langen Lebens in vielfältigen Konstellationen und Gewichtungen.
Im Gitanjali („Liedopfer“, für das Rabindranath Thakur den Nobelpreis 1917 erhielt) steht die Sehnsucht nach Gott im Vordergrund, aber Natur und Menschen sind ebenso allgegenwärtig. Häufig ist mystisch verschleiert, ob der Dichter den geliebten Gott oder eine geliebte Frau anspricht.
Rabindranath schreibt:
„Ich suche dich mit meinem Gesang,
außen, innen – solange ich leben werde.
Die Lieder tragen mich fort von Haus zu Haus, von Ort zu Ort.
Ich singe und rühre sie an, die Menschen dieser Erde“.
Die Lieder, die Rabindranath Thakur komponierte, werden Rabindrasangit genannt.
Hier ist ein Rabindrasangit über die Sehnsucht:
„Choche amar trishna, trishna amar bokho jure, ami bristi bihin baisakhi din”
„Meine Augen dürsten nach dir,
Ich verdurste, weil ich kein Wasser zu trinken habe.
Du bist das Wasser, das ich brauche um meinen Durst zu löschen.
Ich bin ein trockener Tag im Sommermonat Boisakh,
denn der Monsunregen ist noch nicht da“.
Sehnsucht und Zufriedenheit
Thakur schreibt:
„Ich habe dich gesehen, wie das halberwachte Kind in der
Morgendämmerung die Mutter sieht und lächelt und dann wieder einschläft“
In einem anderen Gedicht von Rabindranath lesen wir:
„Wenn ich am Ende meines Tages vor Dir stehe,
wirst Du meine Narben sehen und wissen,
dass ich Schmerzen empfing und Heilung fand,
weil ich an Dich gedacht habe.“
Liebe
Thakur schreibt:
„Wir sind in die Welt gekommen,
wir sollen sie nicht nur erkennen,
sondern sie bejahen lernen.
Macht können wir durch Wissen erlangen,
aber zur Vollendung gelangen wir nur durch Liebe.“
Hier ist ein Rabindrasangeet, ein Lied über die Liebe.
Die freie Übersetzung des Liedes lautet:
Ich höre jemanden Flöte spielen.
Die Flöte spielt „ ich liebe, ich liebe“.
Ich höre diese Melodie in der Nähe, in der Ferne,
Über dem Wasser, auf dem Land: „Ich liebe, ich liebe….“
Es ist eine traurige Melodie,
denn die Liebe geht nicht in Erfühlung.
Der Himmel weint wie eine Frau mit schwarzen Augen-
Diese Frau weint, weil ihre Liebe keine Erfüllung findet.
Wenn ich am Meeresufer stehe,
höre ich diese Melodie der wehklagenden Frau.
Und diese Weise erinnert mich an eine vergessene Melodie,
der ich vor langer, langer Zeit lauschte,
und diese Melodie lautet „Ich liebe, ich liebe.“
Rabindranath Thakur als Vishnuit (Anhänger des Vishnuismus = Krishna-Sekte)
Die Liebeslieder von Rabindranath Thakur wurden durch den Vishnuismus beeinflusst. Er entdeckte als Jugendlicher schon die Schönheit, die Harmonie und den Rhythmus der göttlichen Liebe zwischen Krishna and Radha.
In dem Lied „Bhalobasi“ =“ich liebe“ hört Thakur jemanden Flöte spielen. Dieser Jemand ist vielleicht Krishna, der seine Braut Radha durch seine Flötenspiele verzaubert. Die Liebeslieder von Rabindranath erinnern uns an die Liebeslieder des Vishnu-Poeten Jaydeva aus Bengalen, der 1200 nach Christus in dem klassischen Werk „Gitagovinda“ die ewige Liebe zwischen Krishna und Radha besungen hat.
Rabindranath Thakur als Baul
Thakur war auch ein „Baul“. Bauls sind umherziehende Sänger in Bengalen. Die Bauls gehören keiner Gesellschaftsklasse an, sie sind kastenlos, sie sind frei. Sie besingen den „MONER MANUSH“, die göttliche Kraft im Herzen des Menschen. Es gibt viele inhaltliche Ähnlichkeiten zwischen Baul- und Sufi-Liedern.
Nach der Baul-Philosophie findet man das Göttliche nicht im Jenseits, sondern in jedem Menschen selbst. Sie wollen die dem Menschen innewohnende göttliche Kraft entdecken. Die Vollendung eines Bauls ist die „Verschmelzung mit Gott“, Samadhi.
Ein Baullied von Rabindranath lautet:
„Du wohnst in meinem Herzen,
Aber ich habe dich verloren.
Wenn ich Dich wieder finde,
Werde ich dich in meinem
Herzen wieder einsperren
Dich werde ich nie wieder loslassen“.
“Tumi Hrid-majhare thako
Tomay ami khuje pain a
Tomay pele ami tomake ar
chere debo na”
Eine Notiz zu Thakurs Liedern:
Jana Gana Mana (Herrscher über den Geist des Volkes)
ist der Name der Nationalhymne Indiens. Sie besteht aus den ersten fünf Strophen eines von Rabindranath Tagore geschriebenen und vertonten Gedichts in bengalischer Sprache. Es wurde am 24. Januar des Jahres 1950 offiziell durch die verfassunggebende Versammlung als Nationalhymne angenommen.
Der Text wurde von Tagore auf Bitten eines Freundes aus Anlass des Besuches des britischen Königs George V. am 27. Dezember 1911 verfasst. Die britischen Kolonialherren hielten das Lied für eine Hymne an ihren König. Tagore jedoch verstand unter Bharat Bhagya Vidhata (Indiens Schicksalslenker) Gott.
Bengalischer Originaltext:
ভারতভাগ্যবিধাতা
পঞ্জাব সিন্ধু গুজরাট মরাঠা
দ্রাবিড় উৎকল বঙ্গ
বিন্ধ্য হিমাচল যমুনা গঙ্গা
উচ্ছল জলধি তরঙ্গ
তব শুভ নামে জাগে
তব শুভ আশিস মাগে
গাহে তব জয়গাথা
জনগণমঙ্গলদায়ক জয় হে
ভারতভাগ্যবিধাতা
জয় হে, জয় হে, জয় হে,
জয় জয় জয়, জয় হে॥
jana gaṇa mana adhināẏaka, jaẏa he
bhārata bhāgya bidhātā
pañjāb sindhu gujarāṭ marāṭhā
drābiṛa utkal baṅga
bindhya himācal yamunā gaṅgā
ucchal jaladhi taraṅga.
taba śubha nāme jāge,
taba śubha āśisa māge,
gāhe taba jaẏa gāthā,
jana gaṇa maṅgal dāẏak jaẏa he
bhārata bhāgya bidhātā.
jaẏa he, jaẏa he, jaẏa he,
jaẏa jaẏa jaẏa jaẏa he!
Herrscher über den Geist des Volkes, Heil Dir,
Indiens Schicksalslenker!
Panjab, Sindh, Gujarat, Maratha,
Dravida, Utkal und Bengalen,
das Vindhya-Gebirge, der Himalaya,
die Yamuna, der Ganges,
die hohen Wogen des Ozeans,
erwachen durch deinen glückverheißenden Namen,
erbitten deinen glückverheißenden Segen,
singen dein Siegeslied.
Glückbringer des Volkes, Heil Dir,
Indiens Schicksalslenker!
Deutsch-Indische Gesellschaft e.V. Niederlassung Mainz: www.dig-mainz.de