Plakat-Indien

Viel Anerkennung und Beifall für die poetische Reise mit den deutschen Klassikern zu den klassischen Dichtern Indiens. Die musikalische Lesung der Dichterpflänzchen „Weltpoesie 2014 – Goethe und Schiller zu Besuch in Indien“ war ein großer Erfolg.

Positive Reaktionen

Lieber Herr Schauerhammer,
das war am letzten Samstag ein eiliges Davonstreben (Stadtbus), dass ich Ihnen gar nicht mehr sagen konnte, wie gelungen Ihre Veranstaltung wieder war! Durch die musikalische Einlage war sie nicht so "textlastig" (im positiven Sinn!), besonders gefällt mir auch immer die historische Einbettung, die Ihre liebe Frau so souverän präsentiert.
Die viele Arbeit, die Sie investieren, ist immer wieder bewundernswert. Ich hoffe, Sie konnten alle zusammen nach der Anspannung noch ganz entspannt das indische Essen genießen.
Toi.Toi, Toi weiterhin allen Beteiligten,
U.F.

Sehr geehrter Herr Schauerhammer,
der indische Nachmittag hat mir sehr gut gefallen :-) und die Darbietungen waren sowohl poetisch, wie auch musikalisch wunderbarschön.
Ich wünsche Ihnen noch eine erfreuliche Woche und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
A. E.

Das sind zwei Schreiben, die wenige Tage nach der musikalischen Lesung „Goethe und Schiller in Indien“, bei den Dichterpflänzchen eingingen. Der großzügige und lang anhaltende Applaus am Ende der Veranstaltung zeigte bereits, dass das Publikum den poetischen Ausflug nach Indien genossen hatte.
HP WP 2014 Festsaal
v.l. Gabriele Liebig, Ralf Schauerhammer, Ulla Cicconi, Lutz Schauerhammer , Martha Schauerhammer, Ashok Nair

Ein Glücksfall
Ein Glücksfall für alle war das Mitwirken des Sitarkünstlers Ashok Nair, der gekonnt und einfühlsam die Sprachbeiträge umrahmte und mit seine Improvisationen und geschickt verkürzten Melodieentwicklungen ein Höhepunkt des Programms darstellte. Viele der aus Indien stammenden Besucher lobten seine Musikbeiträge und drückten ihre Anerkennung aus.

Tagores Gedichte in der Originalsprache
Etwa 35 Personen fanden sich im Festsaal der Wiesbadener Loge Plato ein. Dieser Saal ist der ideale Raum für Rezitationen, denn neben der ruhigen, klassischen Innenarchitektur besitzt er eine hervorragende Akustik. Die Rezitationen der Mitglieder des Poesievereins wurden durch einen besonderen Sprachbeitrag ergänzt und bereichert. Herr Dr. Banerjee, ein Verehrer und Kenner der Werke des indischen Dichterphilosophen Rabindranath Tagore, präsentierte nämlich im Verlauf der Lesung einige Gedichte in Bengalisch, der Originalsprache Tagores.

Geselliger Ausklang und zukünftige Kooperationen
Nach der Veranstaltung folgten 14 Personen der Einladung in ein nah gelegenes Tandur-Restaurant, um bei einem guten indischen Essen den Tag ausklingen zu lassen. Im Verlauf des geselligen Abends erhielten die Dichterpflänzchen das Angebot im Frühjahr 2015 für die Deutsch-Indische Gesellschaft in Mainz und für das Institut für Indologie an der Mainzer Gutenberg-Universität zwei Rezitationsveranstaltungen zu präsentieren.

Vita der Mitwirkenden Ashok Nair und Dr. Arun Banerjee:
HP Ashok Nair
Ashok Nair spielt seit 15 Jahren Klassische Indische Musik auf der Sitar. Zunächst auf Workshops und später durch mehrere Indienaufenthalte studierte er fundiert bei verschiedenen Lehrern die Feinheiten der Maihar Spielweise, zu der auch namhafte Künstler, wie Ravi Shankar gehören.
Zu weiterführenden Studien lernt er seit drei Jahren bei Partha Bose. 2010 begann er mit dem meditativen Spiel der Surbahar (Baßsitar). Aufgrund seiner Vergangenheit als Gitarrist in den Genres Rock, Pop und Jazz versteht er es sehr einfühlend Musikern aus der westlichen Musikwelt die indische Musik näher zu bringen. Seit acht Jahren tritt er regelmäßig bei Festivals, eigenen Konzerten, Lesungen und indischen Festen auf. Er ist Begründer des Trios Indrajala. 2008 spielte er im Papstorchester bei der ersten Rede Papst Benedikts auf dem Marienfeld in Köln zum Weltjugendtag. Im gleichen Jahr präsentierte er auf Einladung des Kardinals Lehmann mit dem Orchester unter der Leitung von Thomas Gabriel zwei Kompositionen im Bistum Mainz.

Dr. Arun Banerjee
HP Arun Banerjee
Zur Zeit ist Herr Dr. Banerjee Lehrbeauftragter am Institut für Indologie an der Gutenberg-Universität Mainz.

Arun Banerjee was born in India and emigrated to the United States in 1972. Arun received his bachelor's degree from Calcutta University, two Ph.D.s (Mechanical Engineering from Indian Institute of Technology and Engineering Mechanics from University of Florida)

Dr. Banerjee developed DYNACON, Lockheed-Martin's multi-flexible-body dynamics and control simulation tool. He developed algorithms for geometric stiffness effects in elastodynamics, Order-N dynamics, command shaping for vibration suppression, and tracking control of flexible robots.
He has published 36 journal papers, presented papers at two international congresses in theoretical and applied mechanics, and delivered a Survey Lecture on efficient formulations in multi-flexible-body dynamics at the European Space Agency.
1990 he was awarded AIAA Engineer of the Year Award in Astronautics, for his expertise on efficient Order-N flexible-body dynamics, was associate editor for the Journal of Guidance, Control, and Dynamics and is associate fellow of AIAA (American Institute of Aeronautics & Astronautics).
In 2010 Dr. Banerjee joined Motion Genesis as a Senior Consultant to bring flexible body dynamics and controls to symbolic manipulation. He specializes in modeling, dynamics, and control of flexible systems (tethers, beams, parachutes, satellites, solar panels, rockets, robots, etc.)





WELTPOESIE 2014

Goethe und Schiller in Indien

Poetische Reise zu den Dichtern
Indiens umrahmt mit indischer Musik

Höhlenmalerei von Ajanta
Das Plakat zeigt einen Ausschnitt der Höhlenmalerei von Ajanta. Das Kloster in Ajanta wurde zwischen dem 1. Jh. v. Chr. und dem 7. Jh. n. Chr. gebaut. Während dieser langen Zeit schufen Mönche und Handwerker gemeinsam die beispielslosen Malkunstwerke. Sie zählen zu den bedeutendsten Fresken Südasiens und gehören zum Weltkulturerbe der UNESCO.


Samstag, den 15. November 2014 um 17:00h
Großer Saal der Loge Plato
Friedrichstr. 35
65185 Wiesbaden


Indische Gedichte von Kalidasa, Bhartrihari, Amaru, Tiruvalluvar und Rabindranath Tagore; deutsche Gedichte von Goethe, Schiller, Heine, Rückert; dazu einfühlsame Klänge von dem Sitar-Künstler Ashok Nair.

Das Programm kann natürlich weder die indische Poesie, samt der dahinter liegenden philosophischen Ideen, noch die deutschen Übertragungen umfassend behandeln. Unser Ausflug in die indische Poesie öffnet ja nur ein kleines Fenster. Dieser Blick lässt uns aber erahnen, wie weit sich das Feld der erhaltenen Kostbarkeiten erstreckt, die es noch zu entdecken gibt. Voller Ehrfurcht, erstaunt und von Neugierde getrieben nähern wir uns einer der ältesten Kulturen der Menschheit. Sie lädt uns ein, ihre Rätsel aus einer mehr als 10.000 Jahre alten Geschichte zu entschlüsseln.

Die indische Lyrik ist so vielfältig und farbenprächtig, wie das Land selbst. Sie blickt auf eine mehrere Jahrtausende lange Entstehungsgeschichte zurück und gibt sich nur in Momentaufnahmen dem deutschen Hörer zu erkennen.

Zur Zeit der Gupta-Dynastie, im 4.– 6. Jahrhundert nach Christus, erblüht die Poesie erneut in bedeutender literarischer Form. In dieser klassischen Periode wird diese Dichtung durch „Kalidasa“ zur Hochblüte gebracht. Er ist wohl einer der größten Dichter Indiens und er wird auch „der Indische Shakespeare“ genannt.

Kalidasa
Gruß an die Morgendämmerung

Sieh diesen Tag!
Denn er ist Leben, ja das Leben selbst.
In seinem kurzen Lauf liegt alle Wahrheit,
alles Wesen Deines Seins:
Die Seligkeit zu wachsen,
Die Freude zu handeln,
Die Pracht der Schönheit.
Denn Gestern ist nur noch ein Traum,
und Morgen ist nur ein Bild der Fantasie.
Doch Heute, richtig gelebt, verwandelt jedes
Gestern in einen glückseligen Traum und jedes
Morgen in ein Bild der Hoffnung.
So sieh denn diesen Tag genau!
Das ist der Gruß der Morgendämmerung.

In Europa wurde Kalidasa aber vor allem durch sein Schauspiel „Shakuntala“ bekannt. Der britische Indologe William Jones hatte es von seinen Reisen aus Indien mitgebracht und 1789 ins Englische übertragen. Bereits 1791 übersetzte es Georg Forster erstmalig ins Deutsche. Als sich Johann Wolfgang Goethe mit dem Stoff befasste, war er so begeistert, dass er dem Stück ebenfalls ein Distichon widmete.

Johann Wolfgang Goethe

Willst du die Blüte des frühen, die Früchte des späteren Jahres,
Willst du, was reizt und entzückt, willst du, was sättigt und nährt,
Willst du den Himmel, die Erde mit Einem Namen begreifen,
Nenn ich, Shakuntala, dich, und so ist alles gesagt.

Es findet ein reger Gedankenaustausch zwischen Goethe und Schiller über das neu entdeckte indische Kulturgut statt. Schiller und Goethe lagen neben Kalidasas Arbeiten noch andere Übertragungen vor. So das indische Singspiel „Gita Govinda“ von dem Dichter Jayadeva, der im 12 Jahrhundert lebte. Auch diese Arbeit war von William Jones ins Englische und dann von Friedrich Mayer ins Deutsche übersetzt worden - sogar mit einer persönlichen Widmung an den Geheimrat Goethe.

Schon Schiller fürchtete, dass die Romantiker die indischen Kunstwerke vereinnamen würden. Was letztendlich auch geschah und seither nicht wenige zur Flucht aus der Realität in ein falsch verstandenes Nirwana verleitete.

Schiller an Goethe – Jena, 7. September 1797
... Auch Schlegel hat noch eine Romanze geschickt, worin Arions Geschichte mit dem Delphin behandelt ist. Der Gedanke wäre recht gut, aber die Ausführung däucht mir kalt, trocken und ohne Interesse zu sein. Er wollte auch die Shakuntala als Ballade bearbeiten, ein sonderbares Unternehmen für ihn, wovor ihn sein guter Engel bewahren wolle. ...

Schiller an Goethe – Weimar, 20. Februar 1802.
„Die Gita Govinda hat mich neulich auch wieder zu Shakuntala zurückgeführt, ja, ich habe sie auch in der Idee gelesen, ob sich nicht ein Gebrauch fürs Theater davon machen ließe; aber es scheint, dass ihr das Theater direkt entgegensteht, dass es gleichsam der einzige von allen 32 Winden ist, mit dem dieses Schiff, bei uns, nicht segeln kann. Dies liegt wahrscheinlich in der Haupteigenschaft derselben, welche die Zartheit ist, und zugleich in einem Mangel der Bewegung, weil sich der Dichter gefallen hat, die Empfindungen mit einer gewissen bequemen Behaglichkeit auszuspinnen, weil selbst das Klima zur Ruhe einladet.

Auch Alexander von Humboldt hat an diesem Dialog teilgenommen.
Er sagt im ‚Kosmos‘:

„Zartheit der Empfindungen und Reichtum schöpferischer Phantasie weisen Kalidasa seinen hohen Rang unter den Dichtern aller Nationen an. Den Reiz seiner Naturschilderungen bezeugt das liebliche Drama ‚Vikrama und Urvasi“, wo der König im Dickicht der Wälder umherirrt.“

Es ist bekannt, das Goethe von den wunderbaren Fabeln und Märchen, den religiösen Mythologien Indiens zutiefst beeindruckt war. Zwar wurde Indien für Goethe nie das Sehnsuchtsland wie für seine jüngeren Zeitgenossen; es fesselten ihn jedoch die Sinnlichkeit und Hingabe der indischen Frauenfiguren.
Von der indischen Götterwelt und Ästhetik aber distanziert sich Goethe ausdrücklich. Die Göttergestalten mit ihrer Mischung aus menschlichen und tierischen Formen, Elefantenrüssel und Affenschwanz, den vielen Armen und Köpfen, konnten dem Dichter der Klassik, der in Griechenland sein Kunstideal fand, nicht geheuer sein – in einem Zweizeiler sagt er:

»In Indien möchte ich selber leben,
Hätt es nur keine Steinhauer gegeben.«

Die Entdeckungen im Bereich der indischen Literatur verfolgte Goethe mit Interesse und setze einige der Themen in eigene Gedichte um. Es entsteht die Ballade „Der Gott und die Bajadere“, worin er den indischen Priesterinnenkult und das Feueropfer mit dem christlichen Motiv der Maria Magdalena verbindet.

Johann Wolfgang Goethe
Der Gott und die Bajadere
Indische Legende

Mahadöh, der Herr der Erde,
Kommt herab zum sechstenmal,
Daß er unser gleichen werde,
Mit zu fühlen Freud und Qual.
Er bequemt sich, hier zu wohnen,
Läßt sich alles selbst geschehn;
Soll er strafen oder schonen,
Muß er Menschen menschlich sehn.
Und hat er die Stadt sich als Wandrer betrachtet,
Die Großen belauert, auf Kleine geachtet,
Verläßt er sie abends, um weiterzugehen.

Als er nun hinausgegangen,
Wo die letzten Häuser sind,
Sieht er, mit gemalten Wangen,
Ein verlornes schönes Kind:
Grüß' dich, Jungfrau! - Dank der Ehre!
Wart', ich komme gleich hinaus -
Und wer bist du? - Bajadere,
Und dies ist der Liebe Haus.
Sie rührt sich, die Cymbeln zum Tanze zu schlagen;
Sie weiß sich so lieblich im Kreise zu tragen,
Sie neigt sich und biegt sich und reicht ihm den Strauß.

Schmeichelnd zieht sie ihn zur Schwelle,
Lebhaft ihn ins Haus hinein.
Schöner Fremdling, lampenhelle
Soll sogleich die Hütte sein.
Bist du müd, ich will dich laben,
Lindern deiner Füße Schmerz.
Was du willst, das sollst du haben,
Ruhe, Freuden oder Scherz.
Sie lindert geschäftig geheuchelte Leiden.
Der Göttliche lächelt: er siehet mit Freuden
Durch tiefes Verderben ein menschliches Herz.

Und er fordert Sklavendienste;
Immer heitrer wird sie nur,
Und des Mädchens frühe Künste
Werden nach und nach Natur.
Und so stellet auf die Blüte
Bald und bald die Frucht sich ein:
Ist Gehorsam im Gemüte,
Wird nicht fern die Liebe sein.
Aber, sie schärfer und schärfer zu prüfen,
Wählet der Kenner der Höhen und Tiefen
Lust und Entsetzen und grimmige Pein.

Und er küßt die bunten Wangen,
Und sie fühlt der Liebe Qual,
Und das Mädchen steht gefangen,
Und sie weint zum erstenmal;
Sinkt zu seinen Füßen nieder,
Nicht um Wollust noch Gewinst,
Ach! und die gelenken Glieder,
Sie versagen allen Dienst.

Und so zu des Lagers vergnüglicher Feier
Bereiten den dunkeln behaglichen Schleier
Die nächtlichen Stunden, das schöne Gespinst.

Spät entschlummert unter Scherzen,
Früh erwacht nach kurzer Rast,
Findet sie an ihrem Herzen
Tot den vielgeliebten Gast.
Schreiend stürzt sie auf ihn nieder,
Aber nicht erweckt sie ihn,
Und man trägt die starren Glieder
Bald zur Flammengrube hin.
Sie höret die Priester, die Totengesänge,
Sie raset und rennet und teilet die Menge.
Wer bist du? was drängt zu der Grube dich hin?

Bei der Bahre stürzt sie nieder,
Ihr Geschrei durchdringt die Luft:
Meinen Gatten will ich wieder!
Und ich such' ihn in der Gruft.
Soll zu Asche mir zerfallen
Dieser Glieder Götterpracht?
Mein! er war es, mein vor allen!
Ach, nur eine süße Nacht!
Es singen die Priester: Wir tragen die Alten,
Nach langem Ermatten und spätem Erkalten,
Wir tragen die Jugend, noch eh sie's gedacht.

Höre deiner Priester Lehre:
Dieser war dein Gatte nicht.
Lebst du doch als Bajadere,
Und so hast du keine Pflicht
Nur dem Körper folgt der Schatten
In das stille Totenreich;
Nur die Gattin folgt dem Gatten:
Das ist Pflicht und Ruhm zugleich.
Ertöne, Drommete, zu heiliger Klage!
O nehmet, ihr Götter! die Zierde der Tage,
O nehmet den Jüngling in Flammen zu euch!

So das Chor, das ohn' Erbarmen
Mehret ihres Herzens Not;
Und mit ausgestreckten Armen
Springt sie in den heißen Tod.
Doch der Götter-Jüngling hebet
Aus der Flamme sich empor,
Und in seinen Armen schwebet
Die Geliebte mit hervor.
Es freut sich die Gottheit der reuigen Sünder;
Unsterbliche heben verlorene Kinder
Mit feurigen Armen zum Himmel empor.

Drama, Tanz und Musik sind in der indischen Kultur untrennbar miteinander verbunden. Nach dem Glauben der Inder ist der Tanz älter als die Erde, denn Gott Shiva, der kosmische Tänzer, war von Anbeginn - und er steht für die Energie, die alles erschafft, verwandelt und belebt. Die Statue des tanzenden Shivas, auch Nataraja genannt, können sie überall in Indien sehen.
Der Tanz ist somit eine heilige Handlung und beginnt auch immer mit einer Anrufung Shivas. Deshalb wurden diese Tänze auch Jahrhunderte lang nur in Tempeln zum Entzücken der Götter getanzt.

Friedrich Schiller
Der Tanz

Siehe wie schwebenden Schritts im Wellenschwung sich die Paare
Drehen, den Boden berührt kaum der geflügelte Fuß.
Seh ich flüchtige Schatten, befreit von der Schwere des Leibes?
Schlingen im Mondlicht dort Elfen den luftigen Reihn?
Wie, vom Zephyr gewiegt, der leichte Rauch in die Luft fließt,
Wie sich leise der Kahn schaukelt auf silberner Flut,
Hüpft der gelehrige Fuß auf des Takts melodischer Woge,
Säuselndes Saitengetön hebt den ätherischen Leib.
Jetzt, als wollt es mit Macht durchreißen die Kette des Tanzes,
Schwingt sich ein mutiges Paar dort in den dichtesten Reihn.
Schnell vor ihm her entsteht ihm die Bahn, die hinter ihm schwindet,
Wie durch magische Hand öffnet und schließt sich der Weg.
Sieh! Jetzt schwand es dem Blick, in wildem Gewirr durcheinander
Stürzt der zierliche Bau dieser beweglichen Welt.
Nein, dort schwebt es frohlockend herauf, der Knoten entwirrt sich,
Nur mit verändertem Reiz stellet die Regel sich her.
Ewig zerstört, es erzeugt sich ewig die drehende Schöpfung,
Und ein stilles Gesetz lenkt der Verwandlungen Spiel.
Sprich wie geschiehts, daß rastlos erneut die Bildungen schwanken,
Und die Ruhe besteht in der bewegten Gestalt?
Jeder ein Herrscher, frei, nur dem eigenen Herzen gehorchet,
Und im eilenden Lauf findet die einzige Bahn?
Willst du es wissen? Es ist des Wohllauts mächtige Gottheit,
Die zum geselligen Tanz ordnet den tobenden Sprung,
Die, der Nemesis gleich, an des Rhythmus goldenem Zügel
Lenkt die brausende Lust und die verwilderte zähmt.
Und dir rauschen umsonst die Harmonieen des Weltalls,
Dich ergreift nicht der Strom dieses erhabnen Gesangs,
Nicht der begeisternde Takt, den alle Wesen dir schlagen,
Nicht der wirbelnde Tanz, der durch den ewigen Raum
Leuchtende Sonnen schwingt in kühn gewundenen Bahnen?
Das du im Spiele doch ehrst, fliehst du im Handeln, das Maß.

Ist das nicht unglaublich? Singt Friedrich Schiller hier in seinem philosophischen Gedicht nicht vom dem kosmischen Tänzer Shiva?