Dichterpflänzchen zu Besuch
bei dem griechischen Dichter Homer
im Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museum (rem)


 
 

Am 08. Januar 2009 besuchten die aktiven Mitglieder des Poesievereins Dichterpflänzchen e.V. die Sonderausstellung „Homer – Der Mythos von Troia in Dichtung und Kunst“. Herr Dr. Hecht bereitete alle Teilnehmer mit seiner erfrischenden Führung durch die Ausstellung auf den abendlichen Vortrag von Herrn Prof. Dr. Joachim Latacz vor. Thema: „Was wissen wir heute über den Troianischen Krieg?“
 


 

Beeindruckend waren die vielen wunderschönen Exponate, die die Führungsinformationen ergänzten und verdeutlichten. Aber auch das große Interesse an der Ausstellung ist erwähnenswert: Mehrere Schulklassen nahmen parallel zu uns an Führungen teil. Mehr zu Organisatoren, Ausstellungsstücken und Konzeption der Ausstellung finden Sie hier.  
Nach dem Ausstellungsbesuch erholten sich die Dichterpflänzchen bei einer gemeinsamen Pause. Es gab viel zu erörtern und zu verarbeiten. Neue Erkenntnisse wurden diskutiert und die “Beute” (Bücher zum Thema und der Ausstellungskatalog) begutachtet. Im gleichen Restaurant fand sich dann auch Herr Prof. Latacz ein, den einige Dichterpflänzchen schon aus früheren Begegnungen kannten.


 


 

Wer glaubte, ein Vortrag über die neuesten Erkenntnisse der Homer- und Troia-Forschung werde heutzutage wohl nur wenige Besucher anlocken, der wurde beim Betreten des Vortragssaals eines Besseren belehrt. Der Raum war überfüllt, weit mehr als 500 Besucher warteten sitzend oder sogar stehend  auf die Präsentation des Homer-Experten Herrn Prof. Latacz. Grund für das rege Interesse ist  wohl auch die aktuelle Diskussion, die in den vergangenen Monaten durch Raoul Schrotts Publikationen zu Homer in Gang gesetzt wurde. 
 
Herr Prof. Latacz  erklärte dem aufmerksamen Auditorium, dass es seit 1871 (Schliemanns Ausgrabungen) zwei grundsätzliche Fraktionen von Wissenschaftlern gibt: Die einen betrachten die Werke Homers über das reine poetische Kunstwerk hinaus als eine historische Quelle, die es sehr wahrscheinlich macht, dass es die Stadt Troia an der entdeckten Stelle wirklich gab und dass sie zerstört wurde. Latacz bekannte sich zu dieser Auffassung. Die andere Position gehe davon aus, dass die „Ilias“ zu lange nach dem Untergang Troias  entstanden sei, dass es keine Schrift zur Überlieferung gab und Homer daher auch keine Kunde davon erhalten haben könne. Deshalb sei der Troianische Krieg eine Erfindung Homers.
 
Eine Wende in der Gleichbewertung der Positionen habe sich jedoch seit den Korfmannschen Grabungen und damit einhergehenden interdisziplinären Forschungsarbeiten ergeben. So deuten auch “außer-Homerische” Indizien stark darauf hin, dass die Ilias-Handlung kein bloßes Phantasiegebilde darstellt. Hier nur einige Eckpunkte der neueren Forschung:   
 
1952 die Schrift “Linear B” wird entschlüsselt (Tonscherben aus Mykene mit Troia-Bezug)
1988  Korfmannsche Grabungen mit neuen Funden und Befunden zur Existenz der Stadt Troia (7b)
2002 neue Tonscherben in Theben gefunden  (Linear b) mit Troia-Bezug
2007 Nachweis, dass die „Ilias“ in ostionischem Dialekt (Homers Heimat) geschrieben ist
Wissensüberlieferung während der „finsteren Periode“ aller Kulturen des östlichen Mittelmeerraums (1200-800 v Chr.), in der es keine Schriftsprache gab,  durch die “oral poetry”: Epen mit beibehaltenem Versmaß, dem “Hexameter”.
 
 
Humorvoll und souverän präsentierte Prof. Latacz seine mit Beweisen und Indizien unterstützte    Position. Es war ein Genuss ihm zuzuhören. Nach zwei Stunden unterhaltender und unterrichtender “Beweisführung”, der auch “nicht-Experten” folgen konnten, applaudierten die Zuhörer - und natürlich auch die Dichterpflänzchen - begeistert.

 


 Wie viele andere baten auch die Dichterpflänzchen (rechts Rosa Tennenbaum, links Martha Schauerhammer) Herrn Prof. Latacz um eine Widmung in seinem Buch „Homer – Der erste Dichter des Abendlands“ (Artemis & Winkler 2003).

 

Lutz Schauerhammer